?
X

Bitte wählen Sie Ihre Sprache:

X

Vorbehaltlose Ingebrauchnahme

Nicht selten ist der Fall, dass ein Mieter Räumlichkeiten bezieht, obwohl das Gebäude noch nicht vollständig fertiggestellt ist.

Einen solchen Fall hat das Landgericht Berlin am 12.05.2022, 67 S 30/22, entschieden.

Der hier klagende Mieter hatte für eine Nettokaltmiete von € 10.000 ein „Townhouse“ gemietet, allerdings diverse Mängel moniert, insbesondere das Treppenhaus sei in einem nicht tragbaren Zustand.

Mit seiner Klage hatte er vor dem Amtsgericht überwiegend Erfolg.

Der beklagte Vermieter vertrat im Berufungsverfahren nun die Auffassung, dass der Parkplatzbereich nicht instandsetzungsbedürftig sei, seine Benutzung sei weiterhin gefahrlos möglich, gerügte Zuglufterscheinungen seien nicht mit einer Beeinträchtigung des Klägers verbunden, auch die Ertüchtigung der Treppen sei keine Aufgabe für ihn, weil sich die Parteien stillschweigend auf deren heutige Beschaffenheit verständigt hätten.

Das Landgericht hat die Berufung des Vermieters im Wesentlichen zurückgewiesen, hat allerdings die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen, um die Frage höchstrichterlich klären zu lassen, ob eine gesundheitsgefährdende Beschaffenheit von vermieteten Räumen Mängelbeseitigungsansprüche des Mieters auch dann begründet, wenn der Mieter die Mietsache in Kenntnis ihrer äußeren baulichen Beschaffenheit vorbehaltlos in Gebrauch genommen hat. Nach Auffassung des Landgerichts Berlin musste der Vermieter hier die Zuglufterscheinungen im Kaminbereich nicht beseitigen, weil es sich um eine Bagatellbeeinträchtigung handele.

Den Parkplatzbereich muss der Vermieter allerdings instandsetzen, weil der aktuelle Zustand im Vergleich zur Übergabe der Mietsache erheblich verschlechtert war. Nicht geklärt werden musste, ob auch Gesundheitsgefahren für den Kläger oder Dritte bestanden, denn ein Vermieter ist auch zur Beseitigung nicht lediglich unerheblicher optischer Beeinträchtigungen der Mietsache verpflichtet.

Auch den Treppenbereich muss der Vermieter mit Handläufen versehen. Das Gericht hat betont, dass es zwar an einer ausdrücklichen Vereinbarung der Parteien über den vertragsgemäßen Zustand der Mietsache fehle, allerdings ging das Gericht davon aus, dass unter Beachtung der Verkehrsanschauung und des Grundsatzes von Treu und Glauben eine vertragsgemäße Nutzung der Mietsache Gesundheitsgefahren für den Mieter und Dritte nicht erlauben dürfe.

Die Nutzung einer mehrgeschossigen Mietsache ist mit nicht unerheblichen Gesundheitsgefahren für den Mieter und Dritte verbunden, wenn entgegen der Bauordnung Handläufe der Treppe fehlen, so dass ein höheres Sturzrisiko gegeben ist.

Wenn ein Mieter einen Mietvertrag in Kenntnis der gesundheitsgefährdenden Beschaffenheit der Mietersache abschließt, ohne mit dem Vermieter eine ausdrückliche Vereinbarung über die Sollbeschaffenheit zu treffen, so ist ein Mieter selbst im Falle der vorbehaltlosen Ingebrauchnahme der an ihn vermieteten Räume berechtigt, den Vermieter auf Beseitigung des gesundheitsgefährdenden Zustands der Mietsache in Anspruch zu nehmen.